PAT ROSENMEIER
 

Geachte Heer,

ich habe mir viele Gedanken gemacht und den Kopf zermartert über das Werk von Pat Rosenmeier. Du schreibst mir, dass ich etwas darüber erzählen könnte, da ich den Blick von „Oben“ in den Werken von Delaunay, Smithson und von Panamarenko so gut kenne. Deiner Ansicht nach haben die Gemälde von Rosenmeier auch etwas mit dem Fliegen zu tun. Aber was ist das eigentlich genau, das Fliegen? Wenn du in einem Flugzeug sitzt, fühlst du niemals, dass du gerade fliegst. Eigentlich fliegt man nie, außer in seinen Träumen. Diese Träume gibt Rosenmeier exakt wieder. In ihren Teenagerjahren hat sie als blutjunge Pilotin erste Erfahrungen mit der Fliegerei gesammelt und sieht die Welt bis heute von oben, viele Stunden pro Jahr. Es ist sicher eine Art von Eskapismus, aber es verweist wiederum auch auf Rosenmeiers eigene Deutungen ihrer Malerei. Und es ist eine Sichtweise, die nicht vielen Malern als Anschauung vergönnt und stets gegenwärtig ist. Zuallererst scheinen ihre Werke, wenn man sie auf Abbildungen betrachtet, Fotografien zu sein, aber sie sind in Wirklichkeit Malerei. Sie beschreibt dies auf eine spezielle Weise. Ihre Entscheidung mit Farbe zu arbeiten, hat mit der Tatsache zu tun, dass sie sich allein mit diesem Medium im Stande sieht, ihre speziellen Ideen auch in Bilder umzusetzen. Gemälde unterscheiden sich deutlich von Fotografien. Jedes Medium hat sein eigenes Minenfeld. Mir fällt dabei auf, dass Rosenmeier versucht herauszufinden, was zwischen Farbe und Pinsel passiert. Gute Gemälde bestehen aus einzigartigen Momenten. Wenn ich ihre Gemälde betrachte, scheinen sie eine Mischung aus berechneten, bewussten physischen Prozessen und der Farbgebung der Malerei (der Malkunst) zu sein. Die Künstlerin gibt dies auch zu. Nicht ohne Grund verweist sie auf Pollock. Der war ja auch leidenschaftlich mit der Kontrolle des Effekts von „laufender” Farbe beschäftigt. Im Werk von Pat Rosenmeier stehen wir vor einer eher kosmischen Wirklichkeit, in der die Augen des Betrachters sich im Werk zu verirren scheinen, diese sich aber nichtsdestotrotz einen Anhaltspunkt suchen, und zwar an einem Punkt, der sich hinter der Oberfläche der Farbschicht befindet.

Jan Hoet, Gent 2010